von Pat im Januar 2018

Für mich war sie einfach gelegentlich ein durchgeknallter Feuerstuhl, Tempo und möglichst hohe Nase ihre Markenzeichen. Sie ist sehr süß im Umgang vom Boden aus, absolut freundlich zu allen Menschen, war aber auch oft am Rande der Hysterie. Ich hatte ständig Angst, dass sie mich in einem hysterischen Anfall über den Haufen rennen, sich losreißen und in blinder Panik irgendwo hin sausen könnte. Durch diese Angst, war ich selbst unsicher, zerrte an ihr herum, damit sie endlich mal stillhielt und machte damit wiederum ihr Angst. Wir mochten uns schon damals wirklich sehr, fanden uns aber gegenseitig irgendwie unberechenbar. Keine wusste von der anderen, wann diese die Nerven verlieren würde.

Dann zog ich mit ihr in einen Stall, der sowohl eine Halle als auch einen Reitplatz und sogar schönes Ausreitgelände hatte. Unser erster Besuch in der Reithalle war von viel Schnauben, Zittern, Erschrecken bis hin zu kleinen panischen Weglaufversuchen gekennzeichnet. Aber Kaidana musste sich an die Halle gewöhnen, ich hatte nämlich beschlossen, aus ihr ab sofort ein Dressurpferd zu machen. Sie war jetzt schließlich acht Jahre alt, da konnte sie auch lernen am Zügel zu gehen, saubere Übergänge hinzukriegen, bis hin zur ganzen Parade aus dem Galopp, Volten in schöner Biegung zu zeigen und das Ganze natürlich in kurzer Zeit.

Ich ging also mit ihr in die Halle, setzte mich drauf, nahm die Zügel auf … aber anstatt, dass mein Pferd mit tiefer Nase losging, riss Kaidana den Kopf hoch und trippelte rückwärts und seitwärts. Ich spannte also das Kreuz an und trieb energisch vorwärts, das wäre ja gelacht, jetzt wird Dressur geritten, schließlich weiß ich, wie das geht. Der Schritt, den ich präsentiert bekam war allerdings total anders als der, den ich aus dem Gelände kannte. Keine fröhliches Ausschreiten sondern ein steifes Rumgehacke, hohe Nase, fester Hals und Rücken, kurze Schritte. Also trabte ich, um sie weich zu kriegen, was allerdings auch nicht wirklich half. Das Pferd blieb steif und völlig überfordert, was ich damals als Unwilligkeit interpretiere. Also noch mehr Kreuz, noch mehr Schenkel, noch mehr Hand … schließlich musste sie doch begreifen, dass Pferde nicht auf der Vorhand durch Tempo Gleichgewicht halten, sondern sich auf der Hinterhand tragen und am Zügel gehen. Sie dachte nicht daran und unser Kampf, was die Dressurreiterei anging, begann. Daraus entwickelten wir eine regelrechte Kampfkultur, die langsam anfing, unsere ganze Beziehung zu vermiesen … für die nächsten fünf Jahre. Reitstunden und andere Tipp-Geber änderten daran nichts.

Dann lernte ich durch eine Freundin Iris kennen. Horsemanship, Pferdeflüstern, so genau wusste ich gar nicht, was sie machte, aber egal, Hauptsache wir kamen aus dem tiefen Loch wieder raus. Alle meine Kenntnisse über Pferde und Reiten hatten mein Pferd und mich in dieses Loch geführt, eine totale Kehrtwende war also angesagt, je totaler umso besser. Und schon der Theoriekurs 1 war wirklich total neu. Mir war sofort klar, ich hatte noch nie wirklich gewusst, was ein Pferd eigentlich ist. Es geht bei dem Kurs nicht ums Reiten, nicht ums am-Zügel-gehen, es geht um das Pferd. „Pferde lesen und denken wie ein Pferd“ heißt der Kurs nicht umsonst. Von da an besuchte ich sämtliche Theorie-Kurse, die Iris anbot, alles, und fast alle inzwischen schon mehrmals, um immer wieder was anderes mitzunehmen.

Ich musste echt viel lernen, über Geführt werden und Führen, über die vier Pferde-Persönlichkeitstypen und Menschen-Persönlichkeitstypen, dass es keine „Boden-Arbeit“ gibt sondern 7 Spiele, wie Pferde permanent nonverbal kommunizieren, dass wir das ständige Gebabbel mit dem Pferd ruhig lassen können. Ich lernte, dass Beschäftigung mit dem Pferd nicht nur reiten oder Longieren bedeutet, warum Longieren für Pferde ätzend öde ist und Kilometer aufs Pferd reiten genauso, ich lernte die richtigen Spiele und die richtige Belohnung für jeden Pferdetyp, und das Wichtigste, was eine gute Führungspersönlichkeit ausmacht. Diese Führungspersönlichkeit musste ich werden, wollte ich mit meinem Pferd wieder oder vielleicht zum ersten Mal eine entspannte Beziehung haben. Und das zu werden war richtig schwer.

Mein Umgangsprinzip mit Pferden war bis dahin „Wenn ich nett zu dir bin, bist du nett zu mir.“ Oder „ Wenn wir machen, was du willst, sind wir beide zufrieden und vertragen uns.“ Klappte das nicht (und sowas klappt nie), gab es ja Hilfsmittel wie Sättel, Trensen, Gerten, Schlaufzügel etc. Was für ein Quatsch das war, konnte ich an der Beziehung zu Kaidana ablesen. Im Übrigen war auch die Reihenfolge der Ausbildungsstufen für mich auch völlig neu: erst online am Boden spielen, dann ohne Halfter frei am Boden spielen, dann reiten ohne Hand-Maul-Kontakt und dann, erst als vierte Stufe, Reiten mit Kontakt. Bislang hatte ich die ersten drei Schritte überhaupt nicht gekannt, aber die genau die bilden die Basis.

Als Iris dann das erste Mal bei uns war, machte sie mir absolut klar, dass mein ängstliches Pferd kein zweites Weichei braucht, sondern deutliche Führung. Pferde lieben Menschen mit einem Plan. Dazu gehört, dass ich bis ins Detail weiß, was ich mit dem Pferd vorhabe und zwar so genau, dass auch das Pferd das Ziel kennt. Horsemanship ist für mich Persönlichkeitsentwicklung mit ganz viel Wissen über Pferde. Wer gut führen kann, bekommt eine unvorstellbar wunderbare Beziehung zu seinem Pferd. Das wollte ich bekommen und merkte schon bei den ersten Versuchen, wie sich der Kontakt zwischen Kaidana und mir verfeinerte, verbesserte, ich achtete zum ersten Mal penibel auf ihre Körpersprache und sie daraufhin auch auf meine. Es war am Anfang für mich extrem anstrengend, mir einen Plan auszudenken, anstatt zu nehmen was kommt und die Entscheidung anderen zu überlassen und wenn’s nicht klappt, über zu reagieren. Im Anpassen war ich groß, im klaren, emotionslosen Führen musste ich es werden. Um heraus zu bekommen, wie ich mit meinem Pferd die 7 Spiele und den neuen Umgang richtig lerne, nahm ich an einer wöchentlichen Gruppenstunde bei Iris in Taunusstein teil. Sie lieh mir dann ein Pferd aus und so langsam konnte ich das Gelernte dann auch mit Kaidana einigermaßen umsetzen.

Was mir anfangs schleierhaft war, wie konnte ich eigentlich den Körper meines Pferdes weiter trainieren, wenn ich hauptsächlich daneben stand? Ich musste doch drauf sitzen und Runde um Runde galoppieren, um Muskulatur aufzubauen. Nein, musste ich nicht, im Gegenteil. Kaidana und ich galoppierten wirklich viel im Gelände, aber sie war nicht optimal bemuskelt, an der Schulter zu viel, am Rücken zu wenig, in sich schief und nicht ausbalanciert, kräftiger Unterhals, reines Geländepferd eben. Das war mir so vorher gar nicht klar gewesen, aber ich hatte Pferde bei Iris gesehen, die echte Muskelpakete sind, taktrein gehen, losgelassen sind, mental und körperlich, und in entspannter Balance und weicher Biegung Zirkel am Seil in Größe einer Volte galoppieren, allen voran Lancretio. Der Schlüssel dazu liegt nicht darin, den Pferdekörper mit Hilfszügel etc. zu verbiegen sondern dem Pferd eine Aufgabe zu stellen, die wenn sie von dem Pferd richtig gelöst wird, genau die Zonen trainiert, die wir entwickeln wollen. Es geht nicht darum die Körper zu trainieren, sondern den Geist und die Emotionen und der Körper wird folgen. Das sagt Pat Parelli.

Nach inzwischen 6 Jahren mit Iris haben sich mein Pferd und ich völlig verändert. Wir sind selbstbewusster, dadurch ruhiger, unsere Beziehung ist entspannt und von Vertrauen geprägt. Früher hatten wir Angst vor der Impulsivität der jeweils anderen, heute sind wir absolut gelassen … und haben im Gelände natürlich trotzdem weiterhin echt Spaß an Geschwindigkeit. Aber ich bremse nicht mehr, in dem ich im Maul reiße, sondern indem ich ausatme. Vorwärts hat nichts mehr mit Schenkel und Sporen zu tun, sondern mit Einatmen und wissen, wo ich hin will. Ich führe, sie folgt. Ich ziehe ihr kein Halfter mehr an, das macht sie selbst, indem sie die Nase hineinsteckt und mir die Ohren so hinhält, dass ich das Halfter drüber ziehen kann. Ich binde sie beim Putzen nicht mehr an, sie steht einfach, beim Trensen sucht ihr Maul das Gebiss und ziehe nur noch das Genickstück über die Ohren. Ich führe sie nicht mehr an die Aufsteighilfe, ich stelle mich drauf und sie kommt dazu und stellt sich quer davor. Der Weg auf dem wir sind ist so großartig und das Ganze macht richtig Spaß. Es gelingt uns ganz langsam, auch wenn wir an Dressur denken, unsere Kampfkultur von früher aufzulösen.

Noch sind wir nicht da, wo ich hin möchte. Ich bin immer noch zu ungenau, gelegentlich zu kompromissbereit oder unklar, aber wir haben eine sehr stabile Basis. Kaidanas Körper hat sich auch total verändert. Ihre Halslinie ist weich gebogen, der Unterhals ist weg, der Rücken ist bemuskelt und schwingt wenn sie geht, das Gleichgewicht ist sowohl in vertikaler als auch in horizontaler Ausrichtung erheblich besser geworden, sie kann inzwischen schon ganz gut über den Rücken mit tiefer Nase auf einer Volte um mich herum galoppieren. Ich werde keine andere Methode und keine anderen Trainer mehr an mein Pferd lassen. Der Erfolg, den wir auf emotionaler, geistiger und körperlicher Ebene erreicht haben, spricht für sich.

LG, Pat